Masterplan Genossenschaftliches Wohnen

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Bündnis 90/Die Grünen/GAL                                 CDU

Ratsfraktion Münster                                              Ratsfraktion Münster

 

Ratsantrag                                                       10. Oktober 2017

 

Gemeinschaftsorientiertes und Genossenschaftliches Wohnen verstärkt fördern und gemeinwohlorientierte Investoren bzw. Baugemeinschaften verstärkt unterstützen

 

Präambel:

Die Anzahl der BewohnerInnen in Münster wächst seit Beginn des Jahrzehnts kontinuierlich. Bis zum Jahr 2025 werden wir nach der Bevölkerungsprognose 321.000 EinwohnerInnen in Münster haben. Der Wohnungsmarkt kommt trotz vieler Neubauten mit der diesem stetigen Zuwachs nicht mit. Folge: Die Wohnkosten steigen an, Wohnraum für Menschen mit geringem und normalem Einkommen ist zur Mangelware geworden. Dies hat zur Folge, dass viele Menschen gezwungen sind, Münster zu verlassen, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden, auch wenn sie nach wie vor in Münster arbeiten und dadurch täglich pendeln müssen.

Die städtische Wohnungsgesellschaft Wohn- und Stadtbau alleine kann nicht die notwendige Zahl von Wohnungen in kurzer Zeit zu bauen. Deshalb muss auch der private Wohnungsbau für die Schaffung preiswerter Wohnungen aktiviert werden. Der Rat der Stadt Münster hat deshalb 2014 das Instrument der „Sozialgerechten Bodennutzung Münster - SOBOMÜ“ auf den Weg gebracht - mit Erfolg.

Diesen Erfolg wollen wir durch gezielte Förderung von gemeinwohlorientieren Projekten von Baugemeinschaften vergrößern. Sie versprechen neben der Schaffung von preiswerten Wohnungen auch Chancen für kreatives, vielfältiges und buntes Wohnen und Leben. Sie können dabei helfen, die soziale Balance in den Quartieren der Stadt zu erhalten, die gesellschaftliche Vielfalt in der urbanen Stadt zu stärken und der Verdrängung ökonomisch schwächerer Gruppen entgegenzuwirken - Impulse für die nachhaltige Entwicklung der Stadt.

Um diese Projekte zu fördern, wollen wir die Vergabe städtischer Baugrundstücke nutzen. Im Kontext der Einführung der „SOBOMÜ“ hat der Rat Mitte 2015 die Grundsätze für die Vergabe städtischer Grundstücke – Mehrfamilienhäuser, Gemeinschaftswohnformen verabschiedet. Sie berücksichtigen jedoch noch nicht in ausreichender Weise die besonderen Bedingungen genossenschaftlicher und gemeinwohlorientierter Baugemeinschaften.

Die Grundsätze für die Vergabe städtischer Grundstücke – Mehrfamilienhäuser und Gemeinschaftswohnformen sind deshalb unter Berücksichtigung der nachfolgenden Beschlusspunkte anzupassen.

 

Der Rat möge beschließen:

Die Verwaltung legt dem Rat ein Konzept vor, wie gemeinwohlorientierte und genossenschaftliche Wohnprojekte von Baugemeinschaften besser gefördert werden können. Dabei sind u.a. folgende Grundsätze für die Vergabe von städtischen Baugrundstücken zu berücksichtigen:

  • Die Stadt Münster erwirbt gezielt weitere Grundstücke, um auch Baugemeinschaften, die gemeinwohlorientierte und/oder genossenschaftliche Wohnungsbauprojekte, einen Erwerb von Grundstücken zu ermöglichen.
  • Vorrangig sollen Grundstücke in Erbpacht angebotenwerden. Soweit möglich sind die Erbpachtzinsen mit angepassten Regulierungen vergünstigt anzubieten.
  • Ein Kriterienkatalog bestimmt über den Zuschlag eines zu vergebenden Grundstücks. Bei den Vergabekriterien von Grundstücken an Baugemeinschaften werden die Qualität der sozialen Konzepte und die beabsichtigte Bauqualität der Projekte vorrangig berücksichtigt.

 

Ziele der Förderung sind neben der Schaffung von preiswerten Wohnungen die Erhaltung der sozialen Balance und die Stärkung der gesellschaftlichen Vielfalt in den Quartieren der Stadt.

Die Verwaltung prüft, wie zur Unterstützung der Bildung und Suche von Baugemeinschaften sowie die Gewinnung weiterer Unterstützer*innen im Internet eine “Baugemeinschaftsbörse” eingerichtet werden kann.

Den zuständigen Fachausschüssen ist jährlich ein Bericht vorzulegen.

Begründung:

Gezielte Förderung von, gemeinschaftsorientieren oder gemeinwohlorientierten Wohnprojekten

Mit der gezielten Förderung von gemeinschaftlichen und gemeinwohlorientierten Wohnprojekten soll die soziale Durchmischung, Vielfalt und die Kreativität in den Quartieren durch die Stadt Münster gezielt gefördert werden.

Bereitstellung von Grundstücken an genossenschaftlichen, gemeinschafts- und gemeinwohlorientieren Baugemeinschaften

Die ausschließliche Vergabe über den freien Markt führt auch zu Bauspekulationen und ist daher oft nicht nachhaltig. Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass es damit dauerhaft zu einer Entmischung in den Quartieren kommen kann. Deshalb ist eine sozialgerechte Bodennutzung, die sich an festgelegten Kriterien orientiert, an dieser Stelle sinnvoll.

Nur wenn die Stadt Eigentümerin der Grundstücke ist, kann eine intensive Auseinandersetzung über die städtebaulichen Ziele initiiert werden. Um nicht nur eine bauliche Vielfalt, sondern ein breites Spektrum an Nutzungen, Lebensformen und sozialen Schichten zu erhalten, vergibt die Stadt die angekauften Grundstücke in erster Linie nicht mehr nach dem Kaufpreis bzw. nach dem Gebot mit dem niedrigsten Mietpreis, sondern abhängig von einem vorgelegten Projektkonzept.

Der derzeit alleinige Preiswettbewerb wird ergänzt durch einen Wettbewerb der Ideen!

Die gegenwärtigen Grundsätze für die Vergabe städtischer Grundstücke sehen vor, dass eine Vermarktung von Grundstücken zweckgerichtet und unter standortbezogenen Zielsetzungen mit entsprechenden Vorgaben zur Realisierung von

  • gemeinschaftsorientiertem Wohnen („Investorenmodell“)
  • genossenschaftlichem Wohneigentum zur Selbstnutzung oder
  • selbstgenutztem Wohneigentum für Baugruppen/-gemeinschaften erfolgt.

Große Bauträger und Investoren stehen oftmals unterdem Druck Gewinne machen zu müssen. Fragen des Gemeinwohls zur Integration, können deshalb nicht immer im Vordergrund stehen.

Die aktuellen Boden- und Immobilienpreise sowie dieMieten in begehrten Wohnlagen bringen eine soziale Entmischung der Bevölkerungsstrukturen in den Quartieren mit sich. Für den Bau von genossenschaftlichen, gemeinschafts- und gemeinwohlorientierten Wohnraum fehlt es vor allem an Grundstücken und dessen Finanzierung. Eine Lösung hierzu bietet das Erbbaurecht.

Die Stadt Münster bietet alle zur Verfügung stehenden Grundstücke primär genossenschaftlichen, gemeinschaftsorientierten und gemeinwohlorientierten Baugemeinschaften an. Neben den zur Verfügung stehenden Grundstücken werden darüber hinaus gezielt für den Zweck der Förderung von genossenschaftlichen, gemeinschaftsorientierten und gemeinwohlorientierten Wohnprojekten weitere Grundstücke von der Stadt Münster angekauft.

Die Bereitstellung von Grundstücken durch die Stadt Münster als Erbbaurecht ermöglicht es, über die Gestaltung des Erbbauzinses auf soziale und ökologische Kriterien bei der Förderung von Wohnprojekten bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Bundesweit wird der Gestaltungsspielraum beim Erbbauzins bereits in mehreren Städten genutzt, um den Wettbewerb der Ideen zu forcieren. Beispielsweise zahlt das Projekt „Neue Nachbarn – ein Haus für Flüchtlinge“ in Tübingen in den ersten zehn Jahren einen Erbbauzins in Höhe von 1,0 %. In den Jahren 11 bis 25 liegt der Erbbauzins bei 2,0 % und in den Jahren 26 bis 60 bezahlt das Projekt 4,0 % Erbbauzins. ¹

Der in den Grundsätzen für Vergabe städtischer Grundstücke genannte Erbbauzins von derzeit jährlich 4 % des Kaufpreises einschließlich einer Wertsicherungsklausel entspricht nicht den Bedarfen der genossenschaftlichen, gemeinschaftsorientierten und gemeinwohlorientierten Baugemeinschaften.

Es ist jedoch jeder Einzelfall zu prüfen, dass die Finanzierung der Projekte langfristig sichergestellt ist.

 

Ziele der Förderung von gemeinschaftsorientierten oder gemeinwohlorientierten Wohnprojekten?

Ziele einer bevorzugten Förderung von gemeinschaftsorientieren und gemeinwohlorientierten Wohnprojekten sind:

  • Erhaltung und die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum,
  • Erhaltung der Durchmischung der Bewohner*innen und
  • Förderung der Kreativität, der Vielfalt, der Nachhaltigkeit und der Lebendigkeit in den Quartieren.

Baugemeinschaftsbörse

In die Baugemeinschaftsbörse können sich Interessierte Münsteraner*innen eintragen um die Anzahl der Baugemeinschaften in Münster zu erhöhen.

Für eine bauwillige Person oder Familie ist das Bauen mit einer Baugemeinschaft im Allgemeinen günstiger, da ein Bauträger in der Regel eine Rendite erzielen möchte und die Mitglieder der Baugemeinschaft nicht. Die Baugemeinschaft spart zudem durch die Schaffung von gemeinschaftlich genutzten Räumen wie z.B. gemeinsam genutzten Gästeappartements oder andere gemeinsam nutzbare Räume und den gleichzeitigen Verzicht, diese Räume selbst zu erstellen.

Bei der Vergabe von Grundstücken soll zukünftig stets zuerst die Frage beantwortet werden:

Welchen Beitrag leistet das Bauvorhaben für das Quartier?

Folgende Kriterien kommen für eine bevorzugte Förderung von gemeinschaftsorientieren Wohnprojekten u.a. in Frage. Dabei können Zielgruppen der Wohnformen sehr unterschiedlich sein. Je attraktiver die Idee der Baugemeinschaften ist und je besser das Konzept mit den Kriterien übereinstimmt, desto größer soll die Chance auf einen Zuschlag sein:

a) Zu den Akteuren

  • Prinzipien der Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Selbsthilfe haben höchste Priorität. Das Leben in solidarischen Gemeinschaften mit konsensorientierten basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen soll gestärkt werden.

b) Zum inhaltlichen Konzept

  • Die Bauweise soll möglichst nachhaltig bzw. energieeffizient sein (Klimaschutz).
  • Die Wohnbebauung soll eine hohe Dichte haben.
  • Eine Umsetzung von autofreien Wohnprojekten mit ausreichend Fahrradstellplätzen inklusiv Stellflächen für Lastenfahrräder, Abstellräume für Kinderwagen und Kinderanhänger wird anderen Vorhaben gegenüber bevorzugt bzw. höher gewichtet.
  • Barrierefreies Wohnen wird mit einbezogen und die Vorgaben zur Barrierefreiheit berücksichtigt und beachtet.
  • Die Stadtverwaltung achtet gemeinsam mit den kleinteiligen Baugemeinschaften auf stellplatzfreie Wohnräume- bzw. -straßen, ggf. Quartiersparkhäuser zu planen für Carsharing-Plätze, Lastenfahrräder und Besucher*innen.
  • Baugemeinschaften die Bewohner*innen der Wohnprojekte aktivieren oder unterstützten um sich gemeinsam für ihre eigenen sozialen und kulturellen Belange als auch der Mitbewohner einzusetzen werden höher eingestuft.
  • Eine gute Vernetzung der Baugemeinschaften mit Einrichtungen in den Quartieren wird besonders beachtet.
  • Eine gezielte Förderung der Nachbarschaftsstrukturen.
  • Die Nutzung von Gemeinschaftsräumen, gemeinschaftlichen Werkstätten/Hobbyräumen, Besucherappartements für Gäste und gleichzeitiger Verzicht auf eigene Gästezimmer, etc. ist geplant.
  • Die Schaffung von dauerhaftem Wohnraum für Geflüchtete (Integration) wird berücksichtigt. Etliche Geflüchtete brauchen in absehbarer Zeit „Anschlussunterbringung“ (d.h. einen längerfristigen Platz zum Wohnen nach den vorläufigen Unterkünften).
  • Generationenübergreifende Wohnformen werden beachtet und mit einbezogen.

c) Zu Kooperationspartnern

  • Die Wohnprojekte sollen im Quartier integriert sein. Kooperationen und Vernetzung mit sozialen, kulturellen und ökologischen Initiativen, Einrichtungen und Trägern im Quartier, zwecks Entlastung öffentlicher Unterstützungssysteme werden begrüßt und unterstützt.

d) Zum Wohnprojekt

  • Die Umsetzung von Projekten mit der gleichzeitigen Schaffung von Wohn- und Arbeitsräumen wird besonders beachtet. Hiermit soll eine kleinteilige Infra- und Einkaufsstruktur in den Quartieren (Vermeidung der Ansiedlung von Großmärkten) gefördert werden.
  • Wohnen für Menschen mit Beeinträchtigungen und altengerechte Wohnen wird beachtet und mit einbezogen.

e) Zum Finanzierungskonzept

  • Solidarische und nachhaltige Finanzierungsmodelle können neben den konventionellen Finanzierungsmodellen eingesetzt werden, wenn eine nachhaltige Finanzierung sichergestellt ist.

f) Zur architektonischen und städtebaulichen Gestaltung

  • Die Baugemeinschaft fördert mit ihrem Vorhaben eine bunte, vielfältige und lebenswerte Struktur im Quartier.

Finanzierung der Projekte langfristig sichergestellt ist.

 

 

Stefan Weber                                                   Otto Reiners

und Fraktion                                                      und Fraktion

 

 

1 Vgl. Projekt Neue Nachbarn KG www.neue-nachbarn-tuebingen.de (Zugriff: 30.07.2017, Uhrzeit: 19:51)