Qualitätsoffensive bei naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen – Sparsamer Umgang mit dem Freiraum und Schutz der Agrarlandschaft als Grundlage für Landwirtschaft und Artenvielfalt

| Anträge

1. Der Rat verpflichtet sich, den durch das fortgesetzte Wachstum der Stadt Münster verursachten Flächenverbrauch stärker zu begrenzen, insbesondere  um die Agrarlandschaft als Grundlage für Landwirtschaft und Artenvielfalt und den Freiraum zu erhalten. Die Qualitätsoffensive für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen soll den Flächenverbrauch senken. Neben einer flächenschonenden Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft muss das Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen, z.B. bei der Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete, durch erhöhte städtebauliche Dichte, gemischte Nutzungsstrukturen sowie ein intensiviertes Flächenrecycling begrenzt werden.

2. Die von der Stadt Münster angewandte Methode zur Kompensation von Eingriffen muss sowohl für die zum Ausgleich Verpflichteten, als auch für die Öffentlichkeit und für die beteiligten Gremien des Rates (AKUB und ASSWV) transparenter gestaltet werden. Ort und Art der Maßnahme müssen dargestellt und in der weiteren Entwicklung nachverfolgbar sein.
Alle Möglichkeiten für Ausgleich und Ersatz, die das BNatSchG (insb. §§ 15 und 16) bietet, müssen konsequent angewandt werden. Das bedeutet insbesondere, dass Art und Ort der Ausgleichsmaßnahme sich am jeweiligen Eingriff orientieren. Dabei kommt dem Blick auf den „Naturraum“ besondere Bedeutung zu.
Dafür entwickelt die Verwaltung ein transparentes Verfahren mit folgenden Grundsätzen:
- Die ausgleichsbedingte Entnahme von Flächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung soll möglichst vermieden werden (§ 15, 3 BNatSchG).
- In das Verfahren sollen  produktionsintegrierte Maßnahmen auf wechselnden Flächen (PiK), die Bevorratung von „Invorausmaßnahmen“ und Überschüsse auf Ökokonten die aufwertende Pflege und das Ersatzgeld integriert werden.
- Maßnahmenträger, z. B. Westfälische Kulturlandschaft, sollen im Verfahren beteiligt werden.
-  zur Bestimmung des Ausgleichs soll grundsätzlich der Bewertungskatalog des LANUV NRW genutzt werden („Numerische Bewertung von Biotoptypen für die Eingriffsregelung in NRW“).
- Die Möglichkeiten des Kompensations-Managements und der Bewertung von Maßnahmen auf wechselnden Flächen im räumlichen Zusammenhang nach § 31 LNG NRW sind zu nutzen.
   
3. Möglichkeiten zur nachträglichen qualitativen Aufwertung bereits verwirklichter Kompensationsmaßnahmen sind regelmäßig zu prüfen und, sofern sie zum mindestens gleichwertigen Ausgleich eines Eingriffs aus fachlicher Sicht geeignet sind, vorrangig umzusetzen. Über derartige Aufwertungen ist dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Bauwesen sowie dem Naturschutzbeirat einmal jährlich zu berichten. Gleiches gilt für Aufwertungen im Wald, in bestehenden Forstbeständen     (z. B. durch  schonenden Waldumbau in einheimische Laubwaldbestände oder artenreiche Waldränder). Dabei ist ein Kompensationskataster zugrunde zu legen.

4. Maßnahmen an und in Fließgewässern auf dem Stadtgebiet zur Erfüllung der Vorgaben der EU Wasser-Rahmenrichtlinie WRRL sollen vorrangig auch als Kompensationsmaßnahmen genutzt werden. Auch innerstädtische ökologische Verbesserungen, wie nach WRRL oder Entsiegelungen im Bestand, sind hinsichtlich ihres Kompensationspotentials vollständig auszuwerten.

Städtische Kompensationsüberschüsse sollen soweit möglich auf das Öko-Konto übertragen werden. Potenziale zur Kompensation durch Aufwertung von Brachflächen außerhalb der landwirtschaftlichen Nutzung und von Entsiegelungsnischen sind zu erkunden. Die Einführung eines Brachflächenkatasters bezogen auf grüne und graue Brachen („Entsiegelungsnischen“) ist zu prüfen.

5. Städtische Flächen, die für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind, sollen solange wie möglich in der landwirtschaftlichen Nutzung verbleiben und an Landwirte verpachtet werden. 

6. Planungsbedingte Eingriffe und Kompensationsmaßnahmen sind grundsätzlich in den Vorlagen für den ASSVW und den AUKB darzustellen. Dabei sind sowohl der Eingriff als auch die anfallenden Kompensationen incl. des ggf. entstehenden Kompensationsüberhangs zu beschreiben und wert- und flächenmäßig zu bilanzieren. Das gilt für alle Maßnahmenträger.

Bei einem Ausgleich auf landwirtschaftlicher Nutzfläche ist eine Erklärung anzufügen, warum die obigen Möglichkeiten ohne Entnahme aus der landwirtschaftlichen Nutzung nicht zur Anwendung kommen können. 

7. Eine öffentliche Fachtagung zur Anwendung von Kompensationsmöglichkeiten nach BNatSchG wird durchgeführt. Um umfassend zu informieren und Koordination wie Kooperation anzustoßen, werden zur Teilnahme öffentliche Planungsträger aus Land und Bund, örtliche und regionale Wirtschaft, Architekten, Planer, sowie Grundeigentümer, Landwirtschaft, Umwelt-/Naturschutzverbände und Vertreter aus Forschung und Wissenschaft eingeladen.


Begründung:

Das schnelle Wachstum der Stadtbevölkerung verlangt nach neuen Bauflächen. Durch Innenentwicklung und Nachverdichtung kann der immense Bedarf an Baugrundstücken für Wohnungen und nach Flächen für Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen noch immer zu einem beachtlichen Teil - aber dennoch nicht vollständig - befriedigt werden. Um in dem  Zielkonflikt zwischen ökologisch notwendiger flächensparender Stadtentwicklung und Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und Infrastruktur zu bestehen, müssen die Anforderungen an die städtebauliche Qualität neuer Bauflächen erheblich gesteigert werden: Mehr Dichte, mehr Höhe, Multifunktionalität durch vertikale Überlagerung von miteinander verträglichen Nutzungen und flächensparende Erschließung sind einige Stichworte für diese Strategie. Neubauten, in denen Kita mit Wohnungen oder  Einzelhandelsflächen mit Dienstleistungen und Wohnungen kombiniert werden, sind in Münster bereits mehrfach realisiert worden. Wenn das Ziel ernst genommen wird, den Flächenverbrauch für Siedlungen dauerhaft unter 30 ha jährlich zu halten, dann müssen diese guten Beispiele möglichst schnell zur „Serienreife“ gebracht werden.

Die durch die geplante Einführung des „Urbanen Gebiets  - MU“, eines neuen Typs  von Baugebiet in der Bauleitplanung, entstehenden Möglichkeiten, Wohnen, Arbeiten und Versorgung im selben Baugebiet und auch innerhalb desselben Gebäudes zu schichten, müssen bei der Planung neuer Baugebiete  offensiv genutzt werden.  

Gleichzeitig braucht Münster eine Qualitätsoffensive für die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft, die durch neue Siedlungsflächen erforderlich werden. Größter Kritikpunkt an der bisherigen Praxis ist, dass zu viele landwirtschaftliche Nutzflächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogen werden. 

Über die Abwicklung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Stadt Münster wurde zuletzt 2012 mit der öffentlichen Beschlussvorlage V/0145/2012 beraten. Seitdem sind die gesetzlichen Grundlagen im LNG NRW  geändert worden. Außerdem steht die Entscheidung zur Überarbeitung des Landesentwicklungsplanes an, der neue Siedlungsräume auch für die Stadt Münster vorsieht.

Die Stadt Münster ist der größte Nutzer landwirtschaftlicher Flächen auf dem Stadtgebiet. Das mit o. g. Vorlage verfolgte Ziel der Reduzierung des Verbrauchs landwirtschaftlich genutzter Fläche wurde bislang verfehlt. Insofern gilt es nunmehr, das in der Stadt Münster als Handlungsgrundlage zugrunde gelegte Konzept für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen qualitativ und verfahrensmäßig weiter zu entwickeln und die dem Amt für Grünflächen und Naturschutz übertragenen Koordinierungs- und Lenkungsaufgaben hinsichtlich des Managements von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mit Blick auf weniger Flächenverbrauch und effektivere Qualität vorhandener Kompensationsmaßnahmen zu stärken.

Neben einem bezüglich Art und Ort des Eingriffs angemessenen Ausgleich, muss daher auch eine höchstmögliche Qualität des Ausgleichs Ziel der naturschutzrechtlichen Kompensation für Eingriffe in die Natur und Landschaft sein. Kompensationsmaßnahmen zulasten landwirtschaftlicher Nutzfläche müssen auf das unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte realisierbare Minimum reduziert werden. Die bisherige Größenordnung der Inanspruchnahme   ist für die Landwirtschaft nicht hinnehmbar. Vor diesem Hintergrund muss das Kompensationsmanagement mit größtem Nutzen für die Biodiversität sowie für Natur und Landschaft durchgeführt sowie im betroffenen Landschaftsraum nachhaltig gesichert werden, möglichst ohne weitere Flächen endgültig aus der landwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen. Dazu bedarf es umfassender Transparenz über alle geplanten und durchgeführten Maßnahmen, wobei insbesondere die von Maßnahmenplanungen Betroffenen frühzeitig zu informieren sind.

Mit dem Antrag soll diese Qualitätsinitiative auf den Weg gebracht werden.

Im Detail geht es um folgende Instrumente (vgl. § 15 BNatSchG und § 31 LNG NRW):
- Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (PIK) bzw. Naturschutzmaßnahmen (PIN)) sowie Maßnahmen des Ökologischen Landbaus. Unter Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzung ist durch das Einbringen von kompensierenden Strukturen in die Agrarlandschaft eine ökologische Aufwertung herbeizuführen. Hierbei ist für jede Maßnahme die Qualität der ökologischen Aufwertung für den Naturraum (§ 2 Abs. 2 BNatSchG) zu prüfen, ihre Überprüfbarkeit im Gelände sicher zu stellen und die langfristige Wirksamkeit der Maßnahme innerhalb des Naturraums sicher zu stellen und wissenschaftlich zu evaluieren.  Dies gilt vor allem für die Intensivierung der PIK -Methode. Flächen im Eigentum der Stadt sind bei entsprechender Verfügbarkeit innerhalb des betroffenen Naturraums vorrangig als Referenzfläche heranzuziehen (stadteigene Flurstücke können als Pfandfläche für produktionsintegrierte Maßnahmen     auf wechselnden Ackerflächen dienen). Zu prüfen ist dabei die Möglichkeit, “Maßnahmenträger“, z.B. die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft, bei der Erfüllung der Kompensationsverpflichtungen, ihrer Koordination und ihrer langfristigen Sicherung zu beteiligen. Hierbei ist sicher zu stellen, dass die Arbeit des Maßnahmenträgers (Art und Ort des Ausgleichs) für die Stadt jederzeit einsehbar und überprüfbar bleibt, insbesondere bei Maßnahmen auf rotierenden Flächen.

- Anwendung von Ersatzgeld (§ 31 Abs.4 LNG NRW ) Dabei muss insbesondere auf die Verwendung des Ersatzgeldes für die Wasser- und Bodenverbände bei der Umsetzung der  Wasserrahmenrichtlinie - WRRL der EU geachtet werden.    

- Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen, kurz durch Ökokonten (§ 32 LNG NRW/§ 16 BNatSchG)

- Aufwertende Pflegemaßnahmen (§15 Abs. 3 BNatSchG)


Hans-Georg Buddenbäumer                                Gerhard Joksch
und CDU-Fraktion                                                 und GAL-Fraktion